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Drei-Familien-Villa

IBF 3, 5, 7

Wohnhaus in Detmold, 1996

Im Breiten Felde 3, 5 und 7
32756 Detmold


ausgezeichnet
UNIPOR Architekturpreis 1996

Mittelhaus-Typ, Breite 4,5 m

 

Baugemeinschaft:

IBF 3  Familie Gunnemann
IBF 5  Familie Tobey / Trompeter
IBF 7  Familie Jahnke

Architektur: Reinhold Tobey

Mitarbeiterin: Susanne Bockermann
Stud. Mitarbeiter: Reiner Dettmer, Ralf Diflo, Christian Kuckert, Frank Harmann

 

Dokumantaraufnahmen: Reinhold Tobey 

Architekturfotografie: Gert von Bassewitz

Drei-Familien-Villa in Detmold:

Luxuriöse Bescheidenheit

Ein Haus, schwer zu erreichen, abgelegen in der deutschen Provinz, in Detmold. Ist man endlich angekommen, präsentiert sich zunächst scheinbar nur solide gemachte klassische Moderne mit wenigen gewagten Zeitgeistvarianten. Der Architekt und Bauherr ist zurückhaltend still, ja scheint beinahe introvertiert. Gehobene Architektur-Normalität? Weit gefehlt: Was hier mit einem faszinierenden Ausblick über diese elegante Kleinstadt gebaut wurde, erweist sich beim näheren Hinsehen als ein aktuell gestalteter „Multikomplex“. Ein vier Meter „breites“ Haus, allerdings mit ausreichend Platz für eine angemessene (Eingangs-)Halle. Wenig Fläche, aber diese lässt sich vielfältig nutzen – darüber hinaus ausgestaltet mit anspruchsvollem Design und handwerklicher Arbeit von bestechender Qualität und Schlichtheit. Das Haus ist ein „Energiesparer“, und zwar ohne jegliche „Verlustängste“. Eine Bühne für persönlichen Lebensstil. Spricht man den Architekten Reinhold Tobey auf seine Ideen an – Ideen, die in einer Veröffentlichung präsentiert werden sollen –, so ist es nicht leicht, eine Antwort zu bekommen. – „Veröffentlichung – da tue ich mich sowieso sehr schwer ...“ Naturgemäß ist dieses ein Problem der Künste: Welcher Musiker verbalisiert schon seine Musik? Hören muss man die Stimmungen, die Inspiration, das Flair. Sehen und „beleben“ muss man auch das Gebaute, in den verschiedenen (Licht-)Situationen des Tages und der Jahreszeiten. Veröffentlichung zwingt doch schließlich zu Festschreibung eines oder weniger einzelner Momente – sich dieser Tatsache auszusetzen, fällt Reinhold Tobey schwer. Architektur machen – das heißt: Architektur durchsetzen – ist schon schwierig genug. Sich voyeuristischer Kritik zu stellen, macht die Sache nicht einfacher. Architektur, dieser ewige Zwitter zwischen Kunst und dem Notwendigen. Architektur heißt, Zeitgeist gestalterisch umsetzen in gebaute Umwelt; materialisierte Kultur zu schaffen. Architektur heißt aber gleichzeitig, komplexe, praktische Nutzbarkeit zu liefern. Niemand muss sich ein Bild anschauen, und niemand muss sich eine musikalische Komposition anhören – aber jeder ist darauf angewiesen, in einer baulichen Hülle zu leben. Fangen wir, um ein Beispiel zu geben, einfach einige Momente dieser zeitgemäßen Villa ein: Die Planung: Den entworfenen Neubau, der zunächst als Doppelhaus konzipiert war, „schiebt“ der Architekt zur Realisierung der eigenen Bauidee einfach vier Meter auseinander und setzt sein Haus dazwischen. Aus drei mach ein Haus. Die Essenz: Auch wenn die beiden flankierenden Bauten nicht gerade dem alltäglichen Bauen zuzuordnen sind, so kann man sie doch in dieser Komposition als eher normal bezeichnen. Das mittlere Haus jedoch impliziert mit seiner formalen und funktionalen Lösung eine Ganzheitlichkeit aus Lebensphilosophie, zeitgemäßer Entwurfsästhetik, Sinnlichkeit, Liebe zum Material und pragmatischen Aspekten wie Ressourcenschonung und nachbarschaftlichem Sozialfrieden – also Reduzierung von Wohn-Immissionen –, und somit bewegt es sich in utopischen Ansätzen der Architektur. Die Leidenschaft für das Experimentelle, aber auch für einen höchst sensiblen Umgang mit Traditionen und Werten bringt der Architekt da zwar sehr leise, aber nicht weniger intensiv ein. Das Innenleben: Viereinhalb Meter breit, sechsmal gestapelt. Temporäre „Interpretations- und Installationsmöglichkeiten“ aller denkbaren Wohnnutzungen finden sich hier überall. Die Treppenanlage dient als Kommunikationsmedium, die „Innenhaut“ als Möbel. Rückzug und Ruhe, gleichermaßen wie Weite, Licht, Offenheit – das ist das Ergebnis entwerferischer und konstruktiver Raffinesse. „Erlebniswohnen“ könnte man es nennen. Ein „Projekt für ‚zeitgenössische’ Familien und funktionale ‚zeitlose’ Disposition“, nennt es der Architekt. Lebensstil und Lebensqualität prägen dieses schmale Haus. Die Wirkung: Es wurde in ein heterogenes Umfeld gestellt – wertfrei, aber einheitlich anders. „Das Haus hat fünf Ansichten – aber keine Vorzeigeseite“, sagt Tobey. Sie sind alle gleichermaßen vorzeigbar. Welche Absicht steckt dahinter? Die verlorengegangene „Poesie des Normalen“ wieder „freizulegen“, darum geht es ihm. „Farbe, plastische Elemente und Glimmer werden nur in der Verdichtung deutlich und dürfen nicht beiläufig eingesetzt werden – oder überlagernd laut daherkommen“, so der Architekt. „Laute, schrille Oberflächen zerstören die Sehschärfe.“ Reinhold Tobey nennt es „Glück haben“, wenn man sich mit Projekten wie diesem Haus Inselsituationen schaffen kann, die es erlauben, einfache und schöne Details verdichtet zu realisieren. Ein wenig scheint seine Detailarbeit auch eine Hommage an die Moderne zu sein mit den großen Fensteröffnungen, den klar strukturierten Sichtbetonelementen und den farbigen Signalen, deren Zusammenspiel eben doch an die Bilder Piet Mondrians erinnert. Fläche pur und Farbe – aber es sind nicht die Bauhausfarben: Das Haus läuft ins Violette und das Rot ins Orange – komplementär eben, und ob das nun Absicht ist oder Zufall oder intuitives Gespür für den Zeitgeist, das ist wirklich nicht wichtig.

 

(Text: Hannelore Hafer)

Die Grundlagen

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